Die Kraniche ziehen

Die Kraniche ziehen

Die Kraniche ziehen

# Aus der Gemeinde ...

Die Kraniche ziehen

Friedrich Schiller hat sie besungen, ein berühmter Film trägt sie im Titel, millionenfach sind sie in Origami-Kunst gefaltet, sie tanzen, schweben, faszinieren von Generation zu Generation, diese Vögel des Glücks. Unendlich die Zahl ihrer Beschreibungen und Bilder, unbeschreiblich ihre Grazie, gefährdet auch ihr Sein in der Welt. Achtsam wollen wir sein, sie nicht stören und doch von ihnen lernen. Aufbrechen und nach Hause kommen, im Herbst auf den Frühling warten, dem Leben trauen. 

Wort zur Woche - für diesmal ein Kranichgedicht. Ein Bild dazu, aus unseren Tagen, Kraniche in Linum. Erinnerung und Hoffnung. Wir wünschen Glück für die Reise und warten auf fröhliche Heimkehr.

Bleiben Sie fasziniert und behütet.

Pfarrerin
Barbara Gorgas



Der Kranich

Stoppelfeld, die Wälder leer.
Und es irrt der Wind verlassen,
Weil kein Laub zu finden mehr,
Rauschend seinen Gruß zu fassen.

Kranich scheidet von der Flur,
Von der kühlen, lebensmüden.
Freudig ruft ers, dass die Spur
Er gefunden nach dem Süden.

Mitten durch den Herbstesfrost
Schickt der Lenz aus fernen Landen
Dem Zugvogel seinen Trost,
Heimlich mit ihm einverstanden.

O wie mag dem Vogel sein,
Wenn ihm durch das Nebeldüster
Zückt ins Herz der warme Schein
Und das ferne Waldgeflüster!

Hoch im Fluge übers Meer
Stärket ihn der Duft der Auen;
O wie süß empfindet er Ahndung,
Sehnsucht und Vertrauen!

Nebel auf die Stoppeln taut;
Dürr der Wald; – ich duld es gerne.
Seit gegeben seinen Laut Kranich,
wandernd in die Ferne.

Hab ich gleich, als ich so sacht
Durch die Stoppeln hingeschritten.
Aller Sensen auch gedacht,
Die ins Leben mir geschnitten;

Hab ich gleich am dürren Strauch
Andres Welk bedauern müssen,
Als das Laub, vom Windeshauch
Aufgewirbelt mir zu Füßen:

Aber ohne Gram und Groll
Blick ich nach den Freudengrüften,
Denn das Herz im Busen scholl,
Wie der Vogel in den Lüften;

Ja, das Herz in meiner Brust
Ist dem Kranich gleich geartet,
Und ihm ist das Land bewusst,
Wo mein Frühling mich erwartet.

Nikolaus Lenau


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