Jahreslosung 2021

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# Aus der Gemeinde ...

Jahreslosung 2021

»Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!« So sagt es Jesus in Lukas 6:36.

Die Wüstenväter und –mütter scheinen dafür auf den ersten Blick ein denkbar unpassendes Beispiel zu sein. Diese Männer und Frauen, die im 4. und 5 Jahrhundert in die ägyptische Wüste gingen, lebten dort als Einsiedler oder in kleinen Gruppen in karger Umgebung ein Leben von rigoroser Einfachheit. Sie besaßen wenig, fasteten häufig und verbrachten viele Stunden des Tages allein im Gebet. Das sieht zunächst eher nach Unbarmherzigkeit aus, Unbarmherzigkeit zumindest gegen sich selbst.  

Tatsächlich aber zeigen die kleinen Geschichten und Aussprüche, die uns von ihnen überliefert sind, dass dieses einfache Leben kein Selbstzweck war, sondern eine Hilfe, um sich und Gott besser kennenzulernen. Die Wüstenväter schienen genau zu wissen, wo ihre Prioritäten lagen; auch ein Bischof, der sie besuchen wollte, wurde schon mal weggeschickt.

Die meisten Menschen, die sie in der Wüste aufsuchten, wurden jedoch mit überwältigender Gastfreundschaft empfangen; es gab Wein statt Wasser, und das Fasten wurde gebrochen, ohne ein Wort darüber zu verlieren.  

Das Leben in fast ständigem Gebet und in der Erforschung des eigenen Herzens hatte die Wüstenväter nicht härter, sondern weicher und gelöster gemacht. Und offener, auch ihren Mitmenschen gegenüber.

Das hatte vielleicht damit zu tun, dass keiner, der tief in das eigene Herz gesehen hat, noch daran festhalten kann, besser zu sein als andere. Von dieser Illusion hatten sich die Wüstenväter früh verabschiedet. Ihr realistischer Blick auf sich selbst führte zu größerer Barmherzigkeit anderen gegenüber.  

Eine Geschichte erzählt davon, wie einige Männer zum Wüstenvater Poimen kamen und ihn fragten: „Wenn wir sehen, dass Brüder während des Gottesdienstes einschlafen, sollen wir sie dann wecken, damit sie wieder aufmerksam sind?“ Da sagte er zu ihnen: „Ich mache das immer so: Wenn ich einen Bruder sehe, der eingeschlafen ist, dann lege ich seinen Kopf auf meine Knie und lasse ihn ausruhen.“ 

In der Stille und Einsamkeit der Wüste fanden diese frühen Christen immer tiefer ins Gebet und entdeckten dort auch, wie sehr Gott uns liebt und wie groß seine Barmherzigkeit für uns ist. Wer sich diese Barmherzigkeit bewusst macht und darüber ins Staunen gerät, der merkt plötzlich, wie wenig er eigentlich zum Leben braucht.

Jedenfalls muss es den Wüstenvätern so ergangen sein, denn sie erreichten eine beneidenswerte Unabhängigkeit von vielen Dingen, die wir so nötig zu haben scheinen. Auch das wirkte sich aus im Verhältnis zu ihren Mitmenschen. Und so sehen wir an ihnen eine fast schwindelerregende Freiheit im Umgang mit anderen. Vom Wüstenvater Macarius wird berichtet, dass er, als er einmal zu seiner aus Stein gehauenen Zelle zurückkehrte, einen Dieb überraschte, der ihn nicht erkannte. Behutsam half Macarius dem Räuber, die wenigen Besitztümer, die er in seiner Zelle hatte, auf dessen Esel zu laden und ließ ihn dann mit einem Segen ziehen.  

Gottes Liebe und Barmherzigkeit – das ist unser innerer Reichtum. Er lässt uns immer unabhängiger werden von Äußerlichkeiten, er hilft uns, wenn wir unbarmherzig nach den Fehlern des anderen suchen wollen oder uns nach einer Übervorteilung gekränkt zurückziehen.

Wir können Jesu Aufforderung »Seid barmherzig!« befolgen, weil die Liebe Gottes zu uns eine innere Quelle ist, die uns gelöst und offen macht für unsere Mitmenschen.  

»Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.« Weil der Vater es zu euch ist, könnt auch ihr es zu anderen sein!

Ihre
Regina Schlingheider

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