„Weh denen, die weise sind in ihren Augen und halten sich selbst für klug!“
(Jesaja 5,21)

Ohweh!

„Oh, ich bin klug und weise und mich betrügt man nicht.“ Aus einer heiter erzählten Verwechslungsgeschichte, die mit genial eingängigen Melodien in der Welt ist, stammt diese Liedzeile. Ein von sich durch und durch eingenommener Mensch, der nicht nach rechts und links schaut, sondern immer nur sich selbst und sein Ansehen im Blick hat, singt dieses Lied in „Zar und Zimmermann“ und verwechselt die ganze Dauer des Stückes über alles Mögliche, vor allem aber seine Ichbezogenheit mit seiner wahren Bestimmung zum Menschen. Das alles ist sehr leicht erzählt und noch leichter musiziert, aber bis es endlich zu einem glücklichen Ende kommt, passieren viele unabsehbare Dinge, werden Liebende übersehen, wird nicht wirklich hingeschaut. Aus dem selbstherrlichen „Oh, ich bin…“ der Theaterfigur wird zunächst das große Weh und Ach.

Auch aus einem großen Lied kommen uns die Worte der heutigen Losung entgegen. Die Melodie des sogenannten Weinbergliedes aus dem Buch des Propheten Jesaja kenne ich nicht, aber seine große Bildersprache voller Kraft und Würde ist in meinem Herzen seit langer Zeit. Erzählt wird davon, wie Selbstüberschätzung und Überheblichkeit Menschen in Not und Elend bringen. Wie Egoismus und Allmachtsphantasien in die Katastrophe führen.

Wenn es uns nicht gelingt, von uns selbst abzusehen, uns wegzudrehen von unserem Kreisen um uns selbst, wird es im Wehgeschrei enden.

Doch es gibt sie, die Experten für den Blick in die andere Richtung. Menschen, die gelernt haben, anders zu schauen, weil sie auf den anderen schauen. Weil sie mit Herz und Verstand aus dem Klagen eine zuversichtliche Lebensmelodie werden lassen. Weil sie sich nicht mit GOTT verwechseln. Denn ER sieht von sich ab. Ganz und gar. In der Liebe. In der Hoffnung. In der Demut. Da kann mensch nur staunen. Oh!

Ihre
Pfarrerin Barbara Gorgas