Füllerführerschein

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# Aus der Gemeinde ...

Füllerführerschein

Da steht tatsächlich mein Name. In Schreibschrift. Anschrift, Absender, Briefmarke, der in diesen Tagen so wichtige Stempel „Gemeinsam gegen Corona“, das Datum des Briefzentrums – alles korrekt platziert. Meine Augen fliegen über den Umschlag, der Weg vom Briefkasten ins Haus ist kurz, schnell den Brieföffner zur Hand. Aufmachen, lesen, freuen. Und wieder von vorn. Freuen und lachen.

“Hallo Oma, ich mache gerade den Füllerführerschein…“

Ich weiß nicht, wie oft ich den Brief meines Enkels gelesen habe, vertraut ist mir seine Handschrift geworden, ich sehe ihn vor mir, wenn ich auf das Schriftbild schaue, denke hin zu diesem Kind, das lesen und schreiben lernt und seine Oma einbezieht in seinen Alltag. Und der besteht neben den selbstverständlich gebrauchten Vokabeln wie Homeschooling und LearningView momentan auch aus dem Wort Füllerführerschein. Ich drehe das Wort hin und her und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Sie laufen in die eigene Kindheit zurück, die gänzlich ohne einen Führerschein für ein Schreibgerät auskommen musste. Und in der die mit der Schreibmaschine von der Mutter geschriebenen Briefe und das Wechseln des Farbbandes eine wichtige Rolle spielten. Auch war der Erwerb eines Führescheins für das Führen eines Kraftfahrzeugs durchaus mit Schwierigkeiten verbunden. Und der Führerschein hieß auch nicht so, sondern Fahrerlaubnis. Es ist lange her, Schnee von gestern, kalter Kaffee. Wortbild reiht sich an Wortbild. Und dann kommen sie mir entgegen, die vielen Fragen auf meinem Gedankenspaziergang.

Wenn es einen Füllerführerschein gibt, gibt es dann vielleicht auch einen Lebensführerschein? Und wo kann ich den erwerben? Was muss ich dafür tun, welche Kriterien erfüllen, welche Schule besuchen? Wie sieht der Abschluss aus? Was wäre das A und O eines solchen Führerscheins?

A und O. Zwei Buchstaben. Ich sehe sie vor mir. Alpha und Omega, der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabetes, zieren die Osterkerze in der Gemeinde. Auch in diesem Jahr. Alpha und Omega. Anfang und Ende. Leben und Ewigkeit. Lernen in den Tagen zwischen Ostern und Pfingsten.

Hoffnung haben, die Welle brechen. Worte füllen mich aus, manchmal sind sie Bedrohung. Manchmal helfen sie und heilen. Woher kommt mir Hilfe? Ich glaube, dass mir die Hilfe zuwachsen kann, wenn ich mich auf den Weg des Lernens begebe. Wenn ich nach Himmel und Erde frage und ihrem Zusammenhang. Wenn ich nicht müde werde, mein Leben zu buchstabieren. Und zu üben. Immer neu, immer anders. Wenn ich mich fallen lassen kann in den Raum zwischen Alpha und Omega. Da ist aller Platz der Welt. Für jede und jeden von uns. Der ewige Schöpfer des Himmels und der Erde ist da. So, wie ER immer da ist. ER verlangt keinen Führerschein von uns. ER liebt.

Ich schreibe meinem Enkel eine Nachricht, füge ein lustiges Gesicht und ein Herz dazu. Ab die Post. Bald wird das Smartphone vibrieren und ich werde eine vertraute Stimme hören: „Hallo Oma, also mit dem Füllerführerschein ist es so…“

Bleiben sie lernend und behütet!

Ihre
Pfarrerin Barbara Gorgas

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