Hundert Meter Licht

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Hundert Meter Licht

# Aus der Gemeinde ...

Hundert Meter Licht

Der junge Mann reicht mir die Fernbedienung. Seine ruhige Stimme hinter der Maske macht Mut: »Ist ganz einfach. on – off.« Ich sehe seine Augen blitzen. Arbeit, die sich jetzt schon gelohnt hat. Mühe, die sich auszahlen wird. Freude, die sich ausbreiten will. Ich nehme die Technik entgegen und höre und staune. Staune über einen Satz, der mich in diesen Weihnachtstagen immer wieder neu zum Nachdenken, Besinnen und Lächeln bringen wird. »Da sind jetzt hundert Meter Licht drin.« Hundert Meter Licht? Was ist das denn? Ein Wunder? Haben sich die Maßeinheiten geändert? Ist Licht nicht mehr Teilchen und Welle? Ist am Ende gar der Weltrekord im Hundert-Meter-Sprint überholt und ich hab’s nicht mitbekommen? Hundert Meter Licht. Alles aus den Fugen, alles anders. Ich weiß. Aber, was weiß ich schon?

Mit der Fernbedienung in der Hand gehen die Gedanken auf Reisen. Nicht messbar, nicht regulierbar, nicht im Zaum zu halten. Es ist alles anders in dieser Krise. Und dennoch feiern wir ein Fest. Ein Fest des Lichtes und des Staunens. Ein Fest des Widerstandes. Widerstand ist auch eine physikalische Einheit, die beachtet werden muss, damit die Sicherungen nicht rausfliegen. Manches ist doch hängengeblieben aus meiner Schulzeit. Gott sei Dank. Hundert Meter Licht. Das gibt es nicht, das weiß ich selbstverständlich. Aber zu Weihnachten ist eben alles anders. Denn da geht es immer um alles, von Anfang an. Weil es bei der Geburt eines Menschenkindes, eines Geschöpfes immer um alles geht, von Anfang an. Ganz gleich, wie lang die Strecke des Lebens ist. Ganz gleich, in welcher Geschwindigkeit - Weg durch Zeit – ein Leben gelebt wird. Alles auf Anfang. Es wird Licht. Weihnachtslicht. Damit alles in mir singen kann: »Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen tröstet uns und macht uns frei.«

Vielleicht ist gerade diese Zeile aus der dritten Kantate des Weihnachtoratoriums in diesem Jahr der krisenfeste Satz, den es anzuschauen gilt. Hundert Meter Licht. Gott wird Mensch. Der Herrscher des Himmels und der Erde, bleibt und wird ein Mitleidender. Vom Schrei der Geburt bis zum letzten Atemzug. Was für ein Fest. Mit Gottes Maß gemessen, darf ich leben. Und Licht weitergeben. Und Physik lernen. Und überhaupt, immer lernen und lieben und hoffen.

Hundert Meter Licht.

Logisch, dass es sich um die Länge der Lichterkette, die um den großen Christbaum vor der Kirche läuft, handelt. Logisch, dass die Fernbedienung gemacht ist, den Stromfluss zu ermöglichen oder zu unterbrechen. Logisch, ich habe ja aufgepasst in der Schule. Aber er ist trotzdem wahr, der Satz von den hundert Metern Licht. Weil Weihnachten ist. KrisenFest. Für uns. Auf ewig.  

Eine gesegnete Weihnachtszeit wünscht Ihnen

Ihre
Pfarrerin Barbara Gorgas

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