Am Fenster

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# Tageslosung mit Auslegung

Am Fenster

Lasst uns gehen den HERRRN anzuflehen und zu suchen den HERRN Zebaoth, wir wollen mit euch gehen. 
(Sacharja 8,21)


Er ist 90 Jahre alt und er hat Tränen in den Augen. Gerade hat er Besuch bekommen. Noch sucht er nach Worten - die Gedanken stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Heute waren seine Kinder da, selbst schon zur Risikogruppe gehörend. Die Tochter ringt um Fassung, sie will ihren Vater so gern berühren, umarmen, eine Geste nur, die ihm zeigt, sie ist da. Aber alles ist anders. Ein weit geöffnetes Fenster ist da.

Drinnen, im Pflegeheim sitzt der Vater auf einem Stuhl, vor sich hat er einen Tisch. Dann der Blick aus dem Fenster in die Frühlingssonne hinaus. Draußen steht sein Kind. Auch da ein Tisch. Abstand! Der Blick hinein, mitten in die Lebensspuren des Vaters. So sieht sie aus, eine Besuchssituation in diesen Tagen. Wenig Worte. Suchen nach Möglichkeiten, Zuwendung spürbar zu machen. Lautes und ganz leises Flehen, der Kelch der Krankheit möge vorübergehen am geliebten Angehörigen.

Suchen und Flehen am Gründonnerstag. Gedenken an das gemeinsame Essen von Jesus mit seinen Freund*innen. Sein Weg hinaus zum Ölberg. Bleibet und wachet. Draußen wartet die Nacht. Einsamkeit, Isolation. Doch immer und immer neu ist da die Sehnsucht nach dem Versprechen, nach der Verheißung. GOTT will sich finden lassen. ER ist da. Drinnen und draußen. Der Prophet Sacharja erzählt davon. Menschen werden zusammenkommen, die Freiheit zu finden. Sie werden Gott suchen. Sie werden einander die Geschichte des Lebens erzählen. Fragen und forschen. Von Generation zu Generation. Gelebtes Risiko. Wir wollen mit euch gehen, so steht es geschrieben.

In dieser Verheißung hat Dietrich Bonhoeffer gelebt, ist er heute vor 75 Jahren gestorben. Für das Leben und die Freiheit. »Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.«, so hat er im Gefängnis gedichtet.

Der alte Mann am Fenster des Seniorenheimes sieht in den Frühling. Er war fünfzehn, als der Krieg zu Ende war. Jetzt wird liebevoll umsorgt.

Systemrelevant. Ein offenes Fenster. Suchen. Flehen. GOTT ist da.

Bleiben Sie suchend und geborgen.

Ihre
Pfarrerin Barbara Gorgas

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