02/07/2024 0 Kommentare
Tschüss!
Tschüss!
# Pfarrerin Gorgas denkt ...
Tschüss!
»Eure Freude wird niemand von euch nehmen.« (Johannes 1,39)
Mein Enkel Kilian sagt leidenschaftlich gern Tschüss. Er verabschiedet sich von allen Gegenständen in der Wohnung, wenn es Schlafenszeit für ihn ist. Er winkt jedem vorbeifahrenden Fahrzeug hinterher, bis es aus seinem Blickfeld verschwunden ist. Seine kleine Stimme schallt durchs Badezimmer, wenn er das Wasser aus dem Waschbecken lässt und es in den Tiefen verschwindet.
Niemand kann sagen, woher der kleine Junge diese Passion des Verabschiedens hat. Kilian sagt gern Tschüss und manchmal wünschen wir uns, dass er doch ein bisschen trauriger sein könnte, wenn es zum Beispiel ans Abschiednehmen von Oma und Opa geht. Denn unser Herz ist doch schwer, wenn er wieder von dannen zieht, und der erwachsene Verstand seiner Eltern muss auch gehörig arbeiten, es dem Kind nicht übelzunehmen, wenn es ganz fröhlich an der KiTa-Tür winkt und verschwindet.
Kilian sagt Tschüss und ist froh dabei. Ich weiß, dass das nicht so bleiben wird. Dem heranwachsenden Kind werden tränenreiche Abschiede nicht erspart bleiben. Er wird den Schmerz einer verlorenen Liebe kennenlernen, er wird erleben, dass es den ganz großen, unumkehrbaren Abschied von einem geliebten Menschen gibt, er wird erdulden, dass sich Menschen von ihm verabschieden, zu denen er Vertrauen hatte und die ihn bitter enttäuschen werden.
Das alles wird kommen und ich kann nur wünschen und beten, dass Kilian all dies übersteht, ohne sich von seinem, ihm vielleicht in die Wiege gelegten Grundvertrauen zu verabschieden. Noch ist Kilian ein Kind. Er wird erwachsen werden und ein erwachsenes Kind Gottes bleiben. So, wie die erwachsenen Freunde von Jesus in den schweren Tagen des Abschieds Kinder Gottes geblieben sind.
Sie waren mit dem Zimmermannssohn aus Nazareth unterwegs gewesen. Sie waren ihm gefolgt, dem Wanderprediger, mit den seltsamen Vergleichen und Geschichten. Ihm, der die Lilien auf dem Feld schon mal mit der Pracht des großen Königs Salomo gleichsetzte. Ihm, der schon mal ein Kind in die Mitte stellte, um die Machtverhältnisse im Himmelreich klarzustellen. Ihm, der in begnadeter Ruhe verhinderte, dass der erste Stein aufgehoben und geworfen wurde. Sie waren ihrem Rabbi gefolgt und hatten sich dafür von so vielem und so vielen verabschiedet. Familie und Beruf. Gewohnheiten und Ansichten. Eingefahrenen Strukturen und sicher von so manchem Traum. Sie waren Jesus gefolgt und hatten den Abschiedsschmerz der Zurückbleibenden erlebt und ausgehalten. Und nun standen sie selbst vor dem ganz großen Abschied. Der Weg ihres Herrn und Meisters führte ans Kreuz. Unbeschreiblich dieser Weg. Stationen des Abschieds, letzte Worte. Aus und vorbei. Kein Zurück. Der, dessen große Gabe es war, Abschiede in Geschichten des Willkommens und der Zukunft zu wandeln, endet schmachvoll.
Das ist Passion. Aber Passion ist eben viel mehr. Ist Leidenschaft, ist brennende Liebe, ist Wandel von Trauer zu Freude. Jesus stirbt und wird im Osterlicht zum Christus. Gott lässt sein Kind nicht los.
Weil ER, der Schöpfer der Welt sich nicht verabschiedet vom Leben, sondern es werden lässt, wieder und wieder. „Euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.“ So steht es geschrieben. Die Traurigkeit des Abschiedes wird in Freude des Wiedersehens gewandelt Das ist die Botschaft, die wir zu Ostern feiern dürfen. Bunt und schön. Gott geht mit unseren Abschieden um. Gewissenhaft, behutsam, zärtlich. ER weiß, was es bedeutet, das Liebste hergeben zu müssen. ER hat den Abschiedsschmerz selbst erduldet. Aber ER hat ihm auch selbst die Hoffnung auf ein Wiedersehen entgegengesetzt. ICH BIN DA. So verspricht ER uns. Und wir?
Wir haben ein kleines Wort, das heißt „Tschüss“. Adieu. Mit Gott. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir Tschüss sagen, rechnen wir mit Gott. Wenn wir Tschüss sagen, segnen wir das Leben. So einfach ist das. Darüber können und dürfen wir sehr froh sein oder es werden. Mein Enkel Kilian hat das wahrscheinlich schon verstanden.
So, wie Kinder eben meistens das Leben besser verstehen als die Erwachsenen. Wir müssen es ihnen nur zutrauen. Dann wird das Lachen des Wiedersehens unüberhörbar sein in der Welt. Dann wird ein Tschüss voller Gottvertrauen stecken und der Weg gesegnet sein.
Tschüss – Adieu – mit Gott
Ihre
Pfarrerin Barbara Gorgas
(Foto: Pixabay)
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