Gnade sei mit euch, von dem der da ist, der da war und der da kommt.
Gerade jetzt und heute, wo wir am Anfang des Jahres schauen: Was war? Was ist, jetzt hier bei uns? Was kommt? Denn es kommt etwas auf uns zu.
Die Erscheinung
Die Großwetterlage ändert sich, liebe Schwestern und Brüder, politisch und global und auch für die Kirche. Besonders für die Kirche vor Ort. Neue Lichter stehen am Himmel. Durch sie müssen auch wir neu und anders werden, beweglicher und offener – und das tun wir und ich bin froh, dass ich dabei sein darf, das tun wir gerade heute, wo eine neue Gestalt in Erscheinung tritt: Die Kirchengemeinde Tegel-Borsigwalde.
Neues scheint auf, an Epiphanias, dem Fest der Erscheinung, der Erscheinung eines neuen Menschen, (Anführers), einer neuen Weltordnung durch Jesus Christus, heute wird dieses Aufscheinen zum Anlass – wie es uns verändert und zusammenwachsen lässt. Das Neue dieses, Ihres Zusammenschlusses von Gemeinden scheint schon durch in die Gegenwart: In gemeinsamem Feiern von Bibelwochen und Gottesdiensten, in der kooperativen Konferfahrt, bei GKR-Tagen, Ehrenamtlichentreffen und im gemeinsamen Gemeindemagazin, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Diese Beispiele zeigen schon: Hier haben sich ganz verschiedene Gemeindemenschen gefunden, die gut miteinander können. Warum also nicht zusammenwachsen und zusammen weiter wachsen?
Damit das so werden konnte, haben Sie alle hier etwas aufscheinen sehen, vielleicht durch die neuen Vorzeichen der Zeit, vielleicht in der Begeisterung im Gesicht eines Gegenübers. Manche haben auch anderes gesehen: nüchtern auf die Herausforderungen und Krisen, auf Ressourcenknappheit und schwindende Zahlen geschaut, die für sie aufscheinen wie Alarmlampenlichter. Für andere wiederum scheinen Ideen auf, Kooperationen, Konzepte mit einem größeren Blick. Welche Beweggründe auch immer für Sie jeweils die entscheidenden sind, Sie haben alle Recht damit.
Aber zu allererst: neue Lichter bringen Hoffnung. Sie leuchten vor, was sein könnte. Sie regen Ihre und meine Fantasie an, was das wird: Tegel-Borsigwalde. Der Experte für Hoffnung und bekannte Philosoph Ernst Bloch spricht davon, dass die Hoffnung auf eine gerechte und bessere Zukunft sich im „Vor-Schein“ greifen lässt. So wie ein einsames Anglerlicht auf einen reichen Fang hindeutet. Vor-Schein-Momente zeigen in die richtige Richtung. Sie machen berührbar und erlebbar, an welchen Stellen es wirklich für alle und für immer besser wird.
Dabei gilt für uns hier in diesem Prozess des Zusammenwachsens von vier Gemeinden auch wachsam und mitunter kritisch zu sein, und zu fragen: auf welche Lichter schauen wir jeweils? Was von allem Leuchtenden, von einem tollen Namen und Logos, Werbe- und Kommunikationsmöglichkeiten wirklich auch Erscheinung werden kann, was also tatsächlich in unser Leben treten soll, sodass wir es anfassen und sagen können: Ja, jetzt ist es besser!
In diesem Prozess ist es gut, wenn wir lernen zu deuten, welche Leuchtzeichen der Zukunft verlässlich und welche eher Schein sind, so was wie blendende Neonlichter, die gar nicht erfüllen, was sie versprechen und wenig mit wirklichem Zusammenwachsen, mit belastbaren Gerüsten und Netzen der Fürsorge unterfüttert bleiben?
Dieses Erscheinen von Gott in der Welt kritisch zu befragen gibt uns der heutige Tag vor mit dieser spannenden Suche nach dem echten König. Wir müssen unterscheiden, was uns in der Dunkelheit wirklich von einer heilen, besseren, geretteten Welt vor-scheint, und was uns eher ablenken, verführen will. Dieses göttliche Erscheinen ist keines, was sich uns billig verkaufen will, nein, es ist ernst, geht tief, will handfest werden und uns berühren. Ohne großartiges Feuerwerk und kurz aufscheinende Illusionen, wird das, was wir heute und hier schon mit den Fingern greifen und erahnen –nämlich die Früchte und Erfolge einer Gemeindefusion – wirklich zum Vor-Schein, zum Vor-Leuchten von dem, was kommt.
Die Magier der Vier Gemeinden
Die Lichter der Zukunft müssen also gedeutet werden, mit Ernst, aber auch mit Fantasie und Kreativität. Und die, die das Leuchten und Erscheinen beurteilen, das sind in der Epiphanias-Geschichte von Matthäus – wir haben sie vorhin als Evangelium gehört – die „Magier“, und man kann wirklich sagen: die Magerinnen und Magier. Im Matthäusevangelium sind es zuerst nicht nur drei Könige, die da aufbrechen um Neues auszuprobieren. Dass es Drei sein sollen kommt von den drei Symbolgeschenken: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Matthäus spricht von einer unbestimmten Anzahl von Menschen, die dem Stern folgen, von Expertinnen für die politische und globale Großwetterlage, von solchen, die wissen, wie man Zeichen deutet, Zukunftsplanende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Politberaterinnen in einem. Kurzum, ich finde, Matthäus spricht eben auch von Ihnen, die Sie hier versammelt vor mir sitzen. Von Ihnen, die Sie hart recherchiert, gedacht, gearbeitet und diskutiert haben. Die Weisen, die für die Zukunft verantwortlich waren und sind von Borsigwalde, von Tegel-Süd, von Alt-Tegel und Neu-Tegel. Das sind Sie. Und die Weisen, die ab heute offiziell verantwortlich sind für den neuen Zusammenschluss.
Und genauso wie die Heiligen drei Magier, die Weisen oder Könige, sind Sie eben Vertreter von ganz vielen, haben Sie einen Weg auf sich genommen, der einem neuen Licht, einer Veränderung der Großwetterlage gefolgt ist.
Wir haben sie gemeinsam gehört, die Matthäusgeschichte vom ankommenden Licht und den Weisen. Vor langer Zeit ist sie geschehen und doch sind wir mitten drin, sind mit den Weisen, die den Stern aufgehen sehen, auf ihrem Weg, begegnen Herodes und seiner Expertenkommission, die auch auf Bethlehem weist, auf einen neuen Anführer, eine neue Zeit. Und wir folgen den Weisen zum Stall aus dem ein neues Licht scheint bis zum Traum, dass diese neue Ordnung der Welt durch den winzigen Gottessohn vor dem Herrscher und seinen Leuten geheimzuhalten und dennoch weiterzuführen ist.
Wie finden Sie sich bei den Weisen wieder? Auf der Suche nach den richtigen Orten, nach der richtigen Mitte und Orientierung? Mit Vertrauen auf ihre Träume?
Sie alle: Die Verantwortlichen, Ehrenamtlichen und Spezialist*innen, heben heute gemeinsam die vereinte Kirchengemeinde Tegel-Borsigwalde „aus der Wiege“, so heißt es in der Ankündigung zu diesem Festgottesdienst. Genau wie die Waisen in Bethlehem zusammen gekommen sind, wie sie die Zukunft aus der Strohkrippe gehoben und die Ordnung damit verändert haben.
Sich auf den Weg machen
Damit stehen sie an einer wichtigen Station eines spannenden Weges und ein wichtiges Stück sind Sie schon gegangen. Mich fasziniert dabei besonders der Moment, den Matthäus gar nicht so genau schildert, der Moment, in dem sich die Waisen wirklich entscheiden, sich zusammen auf den Weg zu machen.
Irgendwann sind sie sich einig, dass das Licht am Himmel einen Aufbruch fordert. Ihre Hoffnung und Fantasie überwinden ihre Zweifel und Trägheit. Irgendwann hatten sie keine Angst mehr, sich auf das Unbekannte, Leuchtend-Schöne einzulassen – mit der Hoffnung, dass Jesus Christus in der Mitte sein wird und um ihn herum ganz Unterschiedliche zusammenkommen werden.
Und die Waisen – und das heißt natürlich auch Sie liebe GKR-Mitglieder und Vorsitzenden, Haupt- und Neben- und Ehrenamtlichen, Gemeindemitglieder und Verbundene, Kirchenjuristen, Expertinnen und Planer – Sie haben sich darauf eingelassen, zusammen zu arbeiten. Wie auf der Reise der Heiligen Drei mit allen Gräben und Meeren und Straßen, die sie gemeinsam überqueren mussten – und mit allem Unerwarteten, einfach so Gelingenden und Schönem, dem Sie auf der Reise schon begegnet sind. Hoffnung hat Sie zusammen gehen lassen. Zusammen, das heißt dabei im Team denken und leben, sich manchmal zusammenreißen und zurücknehmen, aber auch zu wissen, wann einzelne mal die Führung übernehmen und vorpreschen müssen.
Ihre Hoffnung besiegt so auch die eigenen Ansprüche auf Herrschaft und Kontrolle. Sie führt dazu, genauso loslassen zu können, wie fest zuzupacken. Sie haben sich darauf eingelassen, einander zu vertrauen und einen gemeinsamen Weg zu gehen. Nicht mehr nur einer oder eine kann weiter allein Expertin bleiben, nicht mehr allein die Zeichen der Zeit und des Himmels deuten. Sie verlassen sich aufeinander.
So muss es auch den Originalweisen gegangen sein. Die wurden ja schnell als drei Könige identifiziert. Und Anführerinnen und Anführer, besonders königliche, das sehen wir auch heute noch überall, die sind es gewohnt, allein den Ton anzugeben und die Richtung festzulegen.
Aber damals auf dem Weg des Sternes und heute, mit vielen, die um die Wiege der Gemeinde Tegel-Borsigwalde herum ankommen wird das anders. Vielfalt und Vielheit, Unterschiede und Vielsichtigkeit treten zusammen und vertrauen einander die Zukunft einer großen, wachsenden und wichtigen Region an.
Erfahrungen und Perspektiven kommen zusammen: von jeweils einer KITA pro Gemeinde mit eigenen Profilen, aus 10 Jahren Aktion Laib-und-Seele in der Philippus-Kirche, von sich rapide ändernder Stadtlandschaft in Borsigwalde, Bauplanung für generationenübergreifende Arbeit in Neu-Tegel oder der Musikarbeit der Alt-Tegeler Kantorei. Jede Gemeinde hat viel zu bieten und viel zu gewinnen.
Gemeinsam deuten sie den Weg und versammeln sich in neuer Gestalt um die Mitte des Gottessohns.
So zeichnet sich ein Herrschaftswechsel durch einen neuen Himmel an und durch die Weisen, die dem Sternenlicht folgen. Das ist ein passender Höhepunkt von zwölf Tagen Weihnachten – vom Weihnachtstag bis zu Epiphanias. Schon im Mittelalter war das eine Zeit um die gewohnte Ordnung umzudrehen, zwölf Tage lange bedienten da zum Beispiel die Herren die Dienerinnen und Diener. Etwas verschiebt sich in dieser Zeit und das feiern wir heute, feiern mit einem Höhepunkt: Die Geburtsstunde einer neue Gemeinde, die nichts anderes ist als Teil vom Körper Jesu und seine Gegenwart in der Welt. Gott segne uns diese Fusion und diese Geburt und diesen Festtag.
Amen
Predigt der Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein anläßlich des Festgottesdienstes zur Fusion am 6.1.2019